Ulla 3. Session – Annehmen
Kl: Ich bin in dem Mietshaus meiner Stiefmutter, also da bin ich die Treppe runter.
Das ist eine lange Treppe, das geht einmal die Treppe runter, dann kann ich...
jetzt geh ich noch mal weiter runter und jetzt bin ich ganz unten. Ach, und dann
könnte ich noch die Kellertreppe runter, aber da.... ja.
Th: O.k.
Kl: Was soll ich jetzt hier? Äh...
Th: Keine Ahnung. Beschreibe einfach mal, was Du wahr nimmst.
Kl: Einfach nur so wie es halt war. Die haben da mal gewohnt, und ich hab da auch
mal gewohnt, in dem Zimmer oben.
Th: O.k., dann lass Dich mal auftauchen, damals, wie Du da gewohnt hast. Schau
mal, wie alt bist Du, wenn Du da auftauchst.
Kl: 13.
Th: Spreche Dich mal an, frag Dich mal, wie es Dir geht!
Kl: Mal gucken, wo bin ich?
Th: Genau, lass Dich mal die Treppe hoch laufen oder runter laufen, oder im Zimmer
sein... keine Ahnung.
Kl: Ja, ich bin... die ist oben, ich muss mal hoch und gucken. Ja. Sitz an meinem
Schreibtisch, ja, also ich spreche mich mal an.
Th: Ja.
Kl: Hey, Ulla! Die guckt jetzt auf. Wie geht es Dir? „Nicht gut.“,
sie ist allein. Sie schreibt in ihr Tagebuch. Wo sind die anderen alle? „Keine
Ahnung.“
Th: Frag sie mal ganz direkt, ob sie gerne lebt.
Kl: Bouh, ich spüre gerade ganz intensiv meinen Körper! *pfeift anerkennend*
Th: Ja, Du hast seit gestern wieder ein Körpergefühl.
Kl: Ich spür den ganz intensiv gerade, Wahnsinn! Bis runter in die Fußspitzen,
die Beine entlang, alles, die Arme... WOW! Ganz, ganz stark. Der sagt gerade ganz,
ganz... der sagt gerade „Ich bin da!“. Puh. Jetzt, was hast Du gesagt?
Ich hab es nicht...
Th: Teil das einfach dieser Ulla mal mit! Was Du gerade wahr genommen hast, über
Deinen Körper, schau mal, wie sie reagiert!
Kl: Du, ich spüre gerade ganz stark meinen Körper! WOW, echt, ich bin
VOLL da! „Mhm.“, das interessiert sie nicht so.
Th: Frag sie mal, ob sie in ihrem Körper ist!
Kl: Bist Du in Deinem Körper? Weiß sie nicht.
Th: Tauscht doch mal!
Kl: Sollen wir mal tauschen? „Mhm, können wir machen.“
Th: Dann geh mal bei ihr rein, und fühl mal, wie sich das anfühlt mit
13, sie soll in Deinen Körper mal spüren, damit sie sich erinnert, wie
das ist, im Körper zu sein.
Kl: Warte mal, ich muss da jetzt mal... oah, da will ich gar nicht rein, das ist
ganz eng und verspannt. Total verspannt. Wie kann man denn schon so verspannt
sein? Mit 13! Mmmm, warte mal, ich will noch mal zurück, oah.... *atmet erleichtert
aus*, locker! *atmet tief durch*, *geht wieder zurück in den Körper
der kleinen Ulla*, hinten am Kopf ist ein Druck, ja, wie wenn einer immer hinten
drauf haut. Man hat hinten drauf gehauen, so „zack, zack“ *macht die
Handbewegung*
Th: O.k. Wenn Du jetzt energetisch in Deinem Körper drin bist mit 13, und
spürst diesen Druck, dann stell Dir doch einfach mal vor, Du drehst Dich
rum und Du schaust mal hin: Wer haut Dir denn symbolisch da drauf? Oder energetisch...
wer ist es denn? Dreh Dich einfach mal um!
Kl: Oh, das ist mein Papa, das ist... der haut immer mit der Hand nach mir...
Th: Also jetzt nicht symbolisch sondern ganz praktisch, das macht der einfach?
Kl: Symbolisch ist es irgendwie... da war auch erst ein... also einfach... sind
es irgendwie alle.
Th: Ja. O.k., alle, lass mal auftauchen: Wer ist „alle“?
Kl: Alle. Alle, also das ist eine Figur, die alle darstellt: Das ist meine Stiefmutter,
mein Stiefbruder, mein Vater, mein Onkel, die Mutter von meinem Vater und meinem
Onkel, das sind ja Zwillingsbrüder, die ganze Verwandtschaft, die dahinter
steht... mehr oder weniger, na ja, was heißt die ganze, nicht alle, nur
ein paar noch halt... irgendwelche Onkels, und... ja, genau, die sind das: „Alle“.
Und die hauen mir da hinten drauf?!
Th: Gut, dann sag es ihnen einfach mal, was Du wahr nimmst, und guck mal, wie
sie reagieren!
Kl: Hey, ihr haut mir da hinten drauf! Ja, das hab ich ja auch verdient!
Th: Ach? Frag mal nach: Warum?
Kl: Warum? Weil ich... frech bin. Und aufmüpfig. Und nicht so, wie man es
von mir erwartet.
Th: Ist das so was wie: Die wollen Dich klein, brav und still halten? Oder hast
Du konkret was gemacht?
Kl: Die wollen... was wollt denn ihr eigentlich? Was, wie, was? Was soll das jetzt
heißen? Ich bin schlecht, von grund auf, so wie meine Mutter.
Th: Ah!
Kl: Bouh, das trifft mich.
Th: Sag ihnen das, dass Dich trifft.
Kl: Das trifft mich. Das trifft mich VOLL!
Th: Was haben die gegen Deine Mutter? Hol mal Deine Mutter herbei! Frag sie mal:
Was soll denn das? Wieso halten die Dich für schlecht? Frag doch mal! Hol
sie mal herbei!
Kl: Ähm, Mama, komm mal geschwind! Guck mal: Die sind da jetzt hier, alle
miteinander, und die hauen mir da hinten auf den Kopf und die sagen, ich wäre
schlecht, weil Du schlecht warst! Warum warst Du schlecht?
Th: Ja.
Kl: „Die haben mich nie akzeptiert.“
Th: Oh ja! Sie soll mal nachfragen: Was haben sie denn nicht an ihre akzeptiert?
Sie selbst als Person oder hat sie hat sie irgendwas an sich, oder hat sie was
gemacht... oder was? Sie soll mal nachfragen, Deine Mutter!
Kl: Hey, das möchte ich gerne genauer wissen! Oooh, mir tut es jetzt echt
richtig im Nacken weh! O.k.: Was, was... Moment... frag mal bitte, oder sag mir
mal genau, was haben sie nicht an Dir akzeptiert? Was genau? Hast Du irgendwas
gemacht oder hast getan oder was ist es, was sie nicht akzeptiert haben? „Ich
hab nicht dazu gepasst, die haben mich nicht aufgenommen. Ich bin zu intellektuell
und die sind ganz anders als ich, das ist ein völlig anderer... das ist eine
völlig andere Welt und ich pass da nicht rein und die wollten mich auch nicht
haben.“
Th: Ah ja. Frag mal Deine Mutter, ob sie deshalb so früh gegangen ist!
Kl: Ja.
Th: Frag sie mal, und guck, ob sie mit dem Kopf nickt oder ihn schüttelt!
Kl: Mama, bist Du deshalb so früh gegangen? „Auch. Das war auch ein
Grund.“
Th: O.k., dann sag das mal der Verwandtschaft und – die machen offensichtlich
das Spiel mit Dir weiter – rede mal mit denen allen, jetzt.
Kl: Jo, die hängen mir im Nacken!
Th: Ja, sag ihnen das!
Kl: Also, damit hab ich jetzt nicht gerechnet, also dass ich jetzt erst mal in
diesem Haus hier bin und dann auch noch ihr da alle seid und ihr dann auch noch
in meinem Nacken hängt, und mir weh tut und mit mir solche Sachen da macht,
also, was mit meiner Mutter da angefangen hat und jetzt macht ihr mit mir weiter!
Und das fühlt sich absolut nicht gut an! Und außerdem, ich bin irgendwie...
ich bin da völlig... ich bin völlig unschuldig! Ich kann überhaupt
nix dafür! Was ist das denn für ein scheiß Film!
Th: Ja. UND - Dein Vater hat auch zugehört – DER müsste auf Deiner
Seite sein, weil das ist Dein Papa! Der muss für Dich da sein, frag ihn mal:
Was soll das?!
Kl: Ja, Papa, genau, was ist eigentlich mit Dir los: Warum bist Du eigentlich
nicht auf meiner Seite, Du bist doch.... „Jaaaa... waa... pffhhaa... buuu...“,
druckst rum. *schnauft enttäuscht aus*, warum kannst Du Dich jetzt nicht
hinter mich stellen und sagen: „Hey, das ist meine Tochter und das ist nicht
die Elisabeth, das ist die Ulla!“, und... oder Du hättest Dich eigentlich
schon hinter Elisabeth stellen müssen! Das war Deine Frau! Das hat er nicht
geschafft, damals konnte er das eben nicht, das war... das ging halt nicht. Jetzt
könnte er es, jetzt ist er ja anders, jetzt ist er stark – aber damals
konnte er es nicht.
Th: O.k., aber hinter seine Tochter hat er sich zu stellen!
Kl: Das könnte er jetzt machen, sagt er.
Th: Dann soll er es machen, fordere ihn auf!
Kl: Also, Du solltest Dich jetzt mal hinter mich stellen und mir helfen, gegen
die alle da! Oh, das fällt ihm schon schwer! Das ist ja seine Verwandtschaft!
Th: Du bist auch seine Verwandtschaft, und zwar seine nächste Verwandtschaft!
*lacht*, mach es ihm klar!
Kl: Ja, aber mit denen hat er mehr zu tun, sagt er, das ist...
Th: Das ist sein Problem, da muss er jetzt fit werden. Der ist Papa, das ist Dein
Papa, also, da kann er nicht weg, Du bist seine Tochter! Jetzt hat er ein Problem,
ist klar.
Kl: Papa, hör mal: Das bin jetzt hier, ich brauch das jetzt, Du musst mir
jetzt helfen! Die sind alle total blöd, guck doch mal, was die für ein
Spiel spielen, jetzt helfe mir doch mal! „Hach, n..pfffff...“, ich
sei ja sowieso nie da und ich sei ja nicht da, und mit denen muss er immer Zeit
verbringen und mit denen ist er zusammen und deswegen muss er...
Th: Die klopfen Dir auf den Hinterkopf und er ist Dein Papa und hat Dich zu beschützen.
Punkt.
Kl: Hast Du das gehört? Die klopfen mir auf den Hinterkopf und Du hast mich
zu beschützen!
Th: Da gibt es keine Diskussion, das ist so.
Kl: Ja, eigentlich hätte ich ja Recht, sagt er.
Th: Gut. Dann soll er jetzt sofort anfangen! Er soll jetzt mal eine Rede für
Dich halten, er soll Dich verteidigen, er soll denen mal sagen, die sollen Dich
in Ruhe lassen, usw. usw. Das was Papas machen: Für die Kinder da sein.
Kl: Hmmmm...
Th: Fordere ihn auf! Er muss das bringen! Du kannst zugucken.
Kl: ...mmm... hör mal... ähm... ja, ich sehe es jetzt auch: Das ist
ja ein 13jähriges Kind, die kann das gar nicht, die kann sich gar nicht wehren.
Th: Ja.
Kl: Pass mal auf, guck mal: Da sitz ich jetzt, und ich bin 13 Jahre alt, und ich
werde ganz schön gepiesackt, von den allen da, und Du? Du stehst irgendwie
nur dran und bewegst Dich nicht! Du bist wieder dieser Luschie, echt, jetzt stell
Dich mal hin und mach was! *wird emotional* Man, hey, Du bist so ein... so ein
Waschlappen! Stell Dich mal hin und mach was, trete mal für mich ein! MACH!
Ach, das könnte ich besser als er - oh nee!!!
Th: Er ist der Papa, Du bist das Kind.
Kl: *knurrt erst*, *dann: reckt und streckt sich*, *gähnt*
Th: Wenn Du willst, kannst Du als heutige Ulla zu Deinem Papa gehen und kannst
ihm mal was zeigen und beibringen, das kannst Du machen, aber dieser Papa hat
hinter der 13jährigen zu stehen.
Kl: Buoh, ich glaub, ich muss das dem echt mal zeigen!
Th: Ja, das darfst Du, und das solltest Du auch.
Kl: *kommt in die Bewegung*
Th: *gibt ihr das Dyhando*, probier es!
Kl: Hm, das brauche ich, glaube ich, gerade nicht. Mal gucken, erst mal hin setzen.
*setzt sich aufrecht hin* Also, pass mal auf... ich fühl mich jetzt eher
so kameradschaftlich mit dem...
Th: Ja.
Kl: Duu.... *streckt sich, reckt sich*, oh Wahnsinn, echt...
Th: Ja, klar, ganz viele Verspannungen.
Kl: Oh ja! Mein Rücken! Ah!
Th: Du hast ja das Mädchen gehört, mit ihren 13 Jahren, kein Wunder,
dass die keinen Bock mehr hat, brav zu sein usw.
Kl: Oh ja, das sagt sie jetzt auch gerade! Die sagt jetzt auch gerade, sie ist
ja auch davon gerannt!
Th: Ach mit 13 ist sie weg gelaufen?
Kl: Ja, ja, zwei, drei mal, nachts, weg gelaufen, sie erzählt mir das gerade
noch mal, wie das war, ich erinnere mich jetzt, stimmt, ich bin ja weggerannt!
Ich bin nachts abgehauen, weil ich es nicht ausgehalten habe: Hab meine Sachen
gepackt und bin nachts um eins, oder um 12 oder was... bin ich zwei km irgendwie
ins nächste Dorf gelaufen, zu meinem Bruder. Und den hab ich dann beim Angeln,
ähm... Papa, das erzähle ich Dir jetzt! Jetzt hör mal zu! Ich bin
dann zu meinem Bruder gelaufen und hab mich zu dem geflüchtet, weil ich es
nicht mehr ausgehalten habe, weil ich nicht mehr leben wollte. Ich wollte nicht
mehr leben, stimmt, ich wollte nicht mehr leben. Ich wollte nicht mehr SO leben.
Ich wollte schon noch leben, aber nicht mehr SO.
Th: Ja. Warum hast Du das Deinem Papa nie erzählt? Oder hast Du es ihm erzählt?
Oder hat er nicht hingehört? Sag es ihm!
Kl: Du hast das gar nicht bemerkt, stimmts? Du weißt gar nicht, warum ich
gegangen bin! Ich war nur plötzlich weg. Ja, das hat er gar nicht wahr genommen,
er hat es nicht wahr genommen. Ich war weg und dann bist Du gekommen und hast
mich geholt. Und ich wollte nicht zu Dir! Und ich wollte nicht zurück in
dieses Haus mit dieser Stiefmutter! Ich wollte überhaupt nicht mehr hin,
aber Du hast mich geholt, am Arm hast Du mich gezerrt! *gestekuliert*, *greift
versehentlich um das Mikrophon*, oh Entschuldigung?!
Th: *lacht*
Kl: *lacht, ist herzlich amüsiert*
Th: Das war der Arm *lacht*
Kl: *lacht noch mehr*, das war der Arm!
Th: Das Sprachrohr zu ihm....
Kl: ... am Arm hat er mich gezerrt, hat er mich da die Treppe runter oder..
Th: Sag es ihm!
Kl: Am Arm hast Du mich gezerrt und hast mich da wieder raus geholt. Und ich hab
geheult und meine Oma hat geheult und alle haben geheult und ich wollte nicht
wieder zurück und Du hast mich geholt und ich musste zurück in dieses
scheiß Haus! In dieses verdammte, ver...ver...ver... dammte Haus! Zu Euch!
Zu Euch Blödmännern! Zu Euch Idioten! Zu dieser blöden Fuck –
Familie da, wo ich nicht dazu gehört hab und... mir ging es genauso... stimmt,
mir ging es genauso wie meiner Mutter: Ich hab nicht dazu gehört! Ich war...
Th: Sag es Deiner Mutter! Rede mit Deiner Mutter!
Kl: Guck mal Mama, ich hab genau das gleiche gemacht wie Du! Ich hab nicht dazu
gehört, ich war völlig anders, ich war viel intelligenter als die....
die mit ihren... die haben immer nix kapiert... und dann waren die immer neidisch...
und „Die ist so schlau!“, und „Die hat die Weisheit mit Löffeln
gefressen“, und „Die, mit ihren klugen Sprüchen da!“ und...
uooh, das hat mich immer so genervt! Und dann war ich ständig Klassenbeste
und dann... und dann hat die das so angefault... und ich hab natürlich damit
angegeben, klar, das musste ich ja dann auch noch raus hängen lassen, ich
hab dann noch eines drauf gesetzt, so, und hab mich da so richtig da abgesondert,
und hab NICHT dazu gehört, kein bisschen, ich war voll der Außenseiter!
Guck Dir das mal an, he! Jaaa, das kennt sie, mhm! Gut. Altbekannt. Und Du, Papa,
Du bist blind wie ein Maulwurf! B l i n d w i e e i n M a u l w u r f !
Da hat es Deine Frau, da hast Du es an Deiner Frau erlebt, und die Frau ist krepiert,
die ist abgekratzt, die ist gegangen, und dann passiert die gleiche Kacke mit
Deiner Tochter, und Du bist immer noch genauso blind! Und Du guckst und Du siehst
nix. Du bist blind wie ein Maulwurf, noch blinder, ein Maulwurf kann noch sehen
gegen Dich!
Th: Frag ihn mal, was in ihm vor gegangen ist, dass er das nicht wahr nimmt! Will
er das nicht wahr haben? Oder hat er das wahr genommen? Frag ihn mal!
Kl: Was... warum hast Du das nicht wahr genommen? Oder was... warum... er wollte
nicht.
Th: Ah ja! Dann frag ihn mal ganz konkret: Du hast es wahr genommen, aber Du wolltest
nicht? Soll er mit dem Kopf nicken oder schütteln.
Kl: Du hast es wahr genommen, aber Du wolltest nicht? Du wolltest nichts tun?
*energisch* Ja!!!
Th: Ah ja, also Verweigerung. Richtige Verweigerung.
Kl: Ja!!! Ja. Ja.
Th: D.h. also er hat seine Frau und Dich ins Messer laufen lassen, wenn Du so
willst. Ins Unglück, ins...
Kl: Ja, das stimmt.
Th: Frag ihn! Frag! Soll er nicken oder mit dem Kopf schütteln.
Kl: Papa? Du hast meine Mutter, Du hast meine Mutter sterben lassen? Und bei mir
hättest Du es genauso gemacht, fast. Ja.
Th: Nickt er?
Kl: Nick mal oder schüttel mit dem Kopf! Jetzt dreht er wieder den Kopf so:
„Jain“....
Jain, immer die Ausflüchte! Dieses Jain, dieses Jain ist schlimm, echt.
Th: Sag es ihm und frag mal wegen Dir nach, weil Du hast wegen Dir und Deiner
Mutter nachgefragt, das sind ein bisschen verschiedene Sachen.
Kl: Papa, pass auf, noch mal ganz klar: Du hast mich im Stich gelassen, wolltest
Du das? Nee, das wollte er nicht, das war ihm nicht bewusst.
Th: Frag mal: Bei Deiner Mutter?
Kl: Und bei meiner Mutter? Nee, das wollte er auch nicht. Gewollt hat er es nicht.
Ja, wie jetzt, das kapier ich nicht, das ist ein echter Widerspruch, Du redest
gerade einen Kack daher, das ist echt schlimm – was jetzt: Wolltest Du es
oder wolltest Du es nicht? Ja oder nein? Das ist eine ganz einfache Frage! Bitte,
wie muss ich die Frage stellen? Ich muss die Frage noch mal neu stellen... ähm...
Th: Du hattest gefragt, ob er es wahr genommen hat, da hat er gesagt „Ja.“,
und dann hat er nix getan. Vielleicht wusste er nicht, dass er damit sie und Dich
in den Tod treibt. Vielleicht wusste er das nicht.
Kl: Genau, Papa, das wird es wohl sein, oder?
Th: Frag ihn mal!
Kl: Du hast nicht gewusst, was es für Folgen hat, stimmt es? Ja, das hat
er nicht gewusst, er hat die Folgen nicht abschätzen können. Er hat
nur gewusst, dass er was falsch macht, und er wollte es aber nicht anders machen,
er hat keine Lust gehabt, keinen Bock gehabt, er wollte lieber feiern und lieber
sein Leben leben, und die sollen sich alle nach ihm richten... genau! DAS IST
ES! *sehr aufgeregt* Das ist es! Wow! Jetzt sagt er es! Jetzt hab ich ihn! Ich
hab Dich! Du willst, dass sich alle immer nach Dir richten! Das ist es! So ein
Egoschwein! Uaah! Bist Du ein Ego! Uah! Ich hab ja nix gegen einen gesunden Egoismus,
aber das geht zu weit, hey! Uoh!
Th: Deshalb hat er auch seine Tochter verloren und Deine Mutter verloren, wenn
Du so willst.
Kl: JA! Das ist es! ALLE! Die ganze Welt müsst sich nach ihm richten! Er
ist der Boss! Er bestimmt!
Th: Sag es ihm! Sag es ihm! Rede mit ihm!
Kl: Du... Du... Du hast ein echtes Selbstwertproblem, weißt Du das? Du hast
einen Selbstwert, so *zeigt mit den Fingern ungefähr Wurmgröße*
groß, und um das auszugleichen, ja, machst Du hier den Macker! Hängst
hier den Macker raus: „Hey, jetzt macht ihr mal, was ich will! Ich bestimme
jetzt! Jetzt gehen wir da auf die Hütte und saufen und Du, Mutter, gehst
mit und säufst mit und Du, Kind... und überhaupt...!“, also! Uah!
Vater, Du bist echt ein... was bist Du? Du bist ein riesiges Arschloch. Du bist
ein riesiges Arschloch. Echt. Das muss ich Dir jetzt mal sagen, Du bist ein riesiges,
verdammtes Arschloch! So ein Arschloch wie Dich als Vater zu haben ist echt...
Danke! Man oh man, genau das ist es, und das machst Du heute noch! Du bist heute
noch derjenige, der so *zeigt mit dem Zeigefinger* in der Gegend herum rennt,
mit dem Zeigefinger, und sagt, was andere tun müssen und nicht tun, und das
machst Du heut noch mit mir! *wütend* Heute noch! Bis heute! Ich bin 33,
nein, ich werde 34, und ... und lass mich heute noch von Dir so durch die Gegend
kommandieren... Du rufst heute noch an und sagst mir, was ich tun soll! *wird
ruhiger*
Th: Warum tust Du es? Frag Dich mal! Als 13jährige bist Du schon weggelaufen.
Warum tust Du es?
Kl: *schnauft wütend*
Th: Frag Dich, nicht nachdenken! Frag Dich mal und hör mal, was die sagt,
die Ulla.
Kl: Da war gerade, das erste was kam: Weil ich mich hilflos... weil ich hilflos
bin, dem gegenüber. *verneint zweimal*
Th: Frag mal Deine Mama, warum sie gegangen ist, hör mal, was sie sagt!
Kl: Weil es einfacher war.
Th: Ah ja. Frag Dich mal, hör mal was Du sagst.
Kl: Weil es einfacher ist. Weil es einfacher ist. *ganz ruhig*, das ist aber gar
nicht einfacher.
Th: Dann machst Du es Dir so einfach wie Dein Papa auch, der macht es sich auch
einfach. Vielleicht ist das, das Geheimnis in der Familie: Jeder macht es sich
einfach, und dadurch wird es kompliziert.
Kl: *grummelt*
Th: Jeder macht es sich scheinbar einfach: Deine Mama, Dein Papa...
Kl: Alle rennen davon. Alle. Jeder flüchtet bloß.
Th: Dann sag es allen! Sag allen, was Du wahr nimmst, was Du sehen kannst! Dann
wissen sie es, dann können sie machen, was sie wollen, dann ist es ihre Sache.
Kl: Puh, Leute wisst ihr was, ihr habt mich aus dem Haus geprügelt, ich war
16, und ihr habt mich aus dem Haus geprügelt, ich war so tief verletzt damals...
das war irre, wie das weh getan hat. Der einzige, der auf meiner Seite gestanden
ist, war mein Bruder. Das war echt der einzige, der mir auch das Leben in Anführungsstrichen
gerettet hat, weil der hat mich damals meditieren lassen.
Th: Sag es ihm! Lass ihn auftauchen und sag es ihm!
Kl: Carl, ach Carl.... ach... das ist schön, ach, komm her... hach,
Du bist mein Schatz! Mein Bruder ist echt der Beste!
Th: Ist er jünger oder älter als Du?
Kl: Älter, vier Jahre. Und er ist einfach klasse! Oh, den hab ich so lieb...
mmm *seufzt zufrieden*, ah, das ist schön, der ist an meiner Seite.
Th: Red mit ihm! Sag es ihm!
Kl: Du bist an meiner Seite und es fühlt sich total gut an, dass Du da bist!
Ja, das weiß er. Pass mal auf, guck mal... er hat alles mit gekriegt, sagt
er, er weiß alles, er weiß es, er hat es mit gekriegt, er war dabei.
Ich hab ihn, ich hab ihn ja immer... er hat mich da raus geholt, immer wieder,
er hat mich dann damals, mit seinem kleinen Golf, den er damals hatte, hat er
mich abgeholt, wir haben die Sachen.... er war dabei. Er weiß was passiert
ist, und er ist immer noch ganz schön traurig deswegen, weil das so ätzend
war. Jaaa... oh man... puh... mir zwei, hm? Ah, das tut jetzt weh. Mmm..... *schnauft*
Aber irgendwas haben wir auch an uns, irgendwas was uns, was uns.. dass wir es
schaffen, dass wir durch kommen. Hm *bejahend*, irgendwas haben wir in uns. Irgendwas
ist da. Irgendeine Kraft.
Th: Frag ihn mal, ob er irgendwas dazu sagen kann.
Kl: Zu was jetzt? Zu dem...
Th: Was Du hast, dass Du es schaffst.
Kl: Liebe hab ich.
Th: Nicht nachdenken, frag ihn mal!
Kl: Carl, was hab ich, dass ich es schaffe? Hallo! Was hab ich, dass ich es
schaffe? Irgendeinen Grundstock... einen Grundstock, sagt her, er weiß es
nicht genau, aber... drück es mal irgendwie aus! Gib mir irgendein Bild,
oder gib mir irgendwas, damit ich es klar hab, was es ist! So Feuer! Das Feuer
ist nie ausgegangen.
Th: Ja.
Kl: Das stimmt, das Feuer ist nie ausgegangen. Auch bei ihm nicht. Du, aber bei
Dir ist es doch schon irgendwie ein bisschen schwächer, oder? Du bist nicht
so feurig. Bei ihm ist es eine andere Kraft, sagt er. Wasser hat auch ganz schön
viel Kraft. Na ja, also gut, ist ja auch egal, jedenfalls jeder hat seine Kraft.
Th: O.k. Dann sag es denen allen mal, dass Du es geschafft hast, weil Du diese
Power, dieses Lebensfeuer in Dir hast – oder was auch immer – zeig
es ihnen. Erzähl es ihnen, stell Dich ruhig hin!
Kl: Ah, genau! Guckt mich mal an! Ach, das hatten wir ja neulich erst, das nehme
ich jetzt mal her, als Anlass. Also wisst ihr, genau, das ist es. Ihr seid jetzt
alle da, und wir feiern den Geburtstag von meinem Vater – da sind wir alle
versammelt, fast alle, da kommen die noch dazu, die noch... ja, ihr seid ja alle
da jetzt – guckt mal: Jetzt! Ich hab es geschafft! Ich lebe noch! Ich bin
über 30 geworden! Ich dachte ja nicht, dass ich das hin krieg, über
30 zu werden, ich dachte, ich muss auch sterben – ich muss es meiner Mutter
nach machen – aber ich hab es ihr nicht nachgemacht! Ich lebe noch! Und
ich habe eine Tochter, die ist 6 Jahre alt, und ihre Mutter lebt noch! Guckt Euch
das mal an! Und ich sehe anders aus, gell? Besser! Nicht so fertig! Nicht so „blllööö“
*imitiert berauscht sein*, Batterie auf Halbmast, halb leer, viertel leer.. ganz
leer, fast leer! *lacht* Ja, die gucken jetzt alle, das ist cool, die gucken jetzt
alle her! Ja genau, hört mir mal zu, das wollte ich nämlich schon lange
mal machen, mit Euch reden – das hab ich immer geträumt. Ich hab immer
davon geträumt, dass ich irgendwann mal vor Euch allen stehe, und Euch eine
Rede halte und ihr mir zuhören müsst! *belustigt* Das war immer mein
Traum! Ah, ist das schön! *freudig* Und jetzt müsst ihr zuhören,
und ihr müsst still sein und ihr dürft nur „Piep“ sagen,
wenn ich das will! Und ihr dürft jetzt nicht! Ihr müsst jetzt zuhören!
Ihr müsst jetzt zuhören! Jetzt! Das ist super! *wird wieder ernster*
Meine Mutter ist gestorben, und ihr habt alle nur zugeguckt, ihr habt nix gemacht.
Th: Wie alt war sie?
Kl: 30, 29, kurz vor 30.
Th: Woran ist sie gestorben?
Kl: Ich sag, als erstes war: Sie hat sich umgebracht, aber das ist so nicht nachgewiesen,
die ist mit einem Autounfall gestorben. Das ist nicht ganz klar, die hat Tabletten
genommen und ist dann Auto gefahren. Aber sie wollte sich sowieso umbringen, also...
Th: Frag sie mal direkt!
Kl: Mama? Ja, sie wollte sterben, ja, das ist... „Ich wollte sterben!“,
sagt sie, auf jeden Fall, „Es ist immer Selbstmord, auch wenn man einen
Unfall baut.“, sagt sie. Aber Du bist doch... ich würde das gerne wissen:
Bist Du auf das Auto direkt absichtlich drauf gefahren? Ja, so mehr oder weniger.
Also, sie hat es halt drauf gesteuert, dann, in dem Moment. In dem Moment musste
sie die Entscheidung fällen. *Aha-erlebnis*, dem Moment musste sie, jetzt
verstehe ich es, sie musste in DEM MOMENT die Entscheidung fällen, und da
hat sie die Entscheidung getroffen, dass sie jetzt da drauf fährt. Auf den
Lastwagen. Und dann sofort tot ist. Also bitte, sie wollte sterben. Wollte sie
ja vorher schon. Das wolltest Du ja vorher schon! Hast ja einen Selbstmordversuch
gemacht, da war ich ja dabei. Ja. Und ihr habt alle zugeguckt. Ihr habt alle einfach
nur zugeguckt! Und ihr habt immer gesagt: „Oooh, die armen Kinder! Och,
die armen Kinder!“, habt ihr immer gesagt, *überzogen mitleidige Stimme*,
aber gemacht hat keiner was! Ihr habt immer nur „Bla, bla!“, geredet
und nichts drin! Hhhh!!! Heiße Luft! Habt immer so getan und seid in die
Kirche gerannt. Aber gemacht? Geholfen? Irgendwas unternommen? Hat niemand, noch
nicht mal ein halber von Euch! Der einzige, der für mich da war, in irgendeiner
Art und Weise, der irgendwie mich gestützt hat, war hier: Mein Bruder! Wenn
ich den nicht gehabt hätte, wenn wir uns nicht gehabt hätten?! Na gut,
o.k., wir hatten uns, ich will gar nicht darüber nachdenken, was gewesen
wäre, wenn... weil: Wir hatten uns. Punkt. Er war da und er ist da! Und das
ist er heute noch. Und ihr seid echt... oach, ihr seid die, die, die... Qualverwandtschaft.
Mmmh, jetzt guckt ihr ganz schön betreten, gell? Oh ja, guckt Euch mal an,
wie ihr jetzt ausseht! Uäh! *angewidert*, Uli, Du, Du hast... Du hast...
guck Dich mal an, wie Du aussiehst?! Du siehst aus, echt, total krank, echt, wuäh,
krank, Du bist krank! Deine Kinder? Guck Dir die mal an, die sind krank, das Kind
ist krank, das Kind ist krank, Du arbeitest den ganzen Tag nur, Du bist für
die Kinder gar nicht da! Du hast drei Kinder gekriegt und bist für keines
da! Wow, echt, guckt mal, was ihr für Leben lebt! Keiner von Euch ist stolz
auf sein Leben!
*hält inne*
Buoh, jetzt sind sie still. *flüstert*, totenstill. *pfeift anerkennend*
Ich war die Schwächste, ich war die Schwächere, man geht immer auf die
Schwächeren, sagen sie. Was ist denn das für eine Philosophie?! Wah....
*atmet tief durch*
Uah, was ist denn das? Was ist denn das für eine Philosophie, he? Puh! Und
ihr meint, ihr wärt Christen! Und ihr meint, ihr springt in die Kirche, he,
und ihr meint echt, ihr wärt Christen! Und ich bin, ausgerechnet ich, bin
aus der Kirche ausgetreten! Ist das grotesk! Dieses ganze Ding ist grotesk! Wooo!
Aaaah! Aufs Schwächste, auf den Schwächsten, aber drauf! Drauf! Drauf!
Denn... kann man den tot treten. Und wenn er dann stirbt, dann kommen die alle
angerannt, das weiß ich noch genau, dann stehen die alle in der Küche,
die ganze Verwandtschaft, und holen ihre Taschentücher raus! Und heulen!
„Hach, die Elisabeth ist tot!“, und heulen, und tun so, als ob sie
das jetzt arg mit nehmen würde. Und im Grunde ihres Herzens fühlen sie
überhaupt nix. Fühlt ihr gar nichts! Ihr habt nix gefühlt! Ihr
habt nur so getan als ob! *pfeift Luft raus*, es ist totenstill. Es ist so genial!
*genugtuend*.
Jaaa! Treffer! *atmet erleichtert aus*
Th: Sag ihnen mal, wie es Dir gegangen ist: Deine Mama war weg. Sag es ihnen mal!
Kl: Na also ich, na... wie es mir gegangen ist, das kann ich Euch schon sagen:
Ich hab damals schon gewusst, dass ihr alle zusammen Pack seid! Pack! Echt Pack!
Ich bin in dieser Küche gestanden, und hab Euch alle so auf Halbhöhe...
ich war ja noch klein, 6 Jahre alt, und ich hab gerade mal so bis zum Bauchnabel
geguckt, ja, irgendwie so hoch geguckt, und dann hab ich die ganzen Taschentücher
und tränenverquollenen Gesichter gesehen und... das alles kam mir vor wie...
wie... wie ein... ich hab gedacht: „Was ist das? Was tun die hier? Und warum
machen die alle einen auf leiden? Und tun so, als würden sie jetzt alle hier
leiden müssen.. und als würden sie jetzt alle hier heulen müssen...“,
und das hat mich alles so angekotzt, ihr habt mich angewidert, ich fand es einfach...
uäh... echt, buoh, ich musste da raus, bin dann da raus, bin raus, bin die
Treppe runter, bin draußen hin und hab mich vorne, vors Haus auf die Bank
gesetzt. Nur weg da. So! So seid ihr mir vorgekommen, echt, wie so ein Haufen
Heuchler. Ja, Heuchler, genau! Heuchler, Heuchler, alles Heuchler. Die heucheln
alle nur Gefühle. Die haben keine. IHR heuchelt Gefühle, ihr habt keine.
Oooh... buoha, ich soll das jetzt nicht so offen sagen, sagen die jetzt.
Th: Frag sie: Warum? Können sie die Wahrheit nicht vertragen? Es wird ja
Zeit, das mal anzusprechen.
Kl: Ja, das ist es! Ihr könnt die Wahrheit nicht vertragen, stimmts? Stimmts?
„Ja, die tut zu sehr weh.“
Th: Ja. Zeig ihnen mal, wie Du als Kind gelitten hast, dass Deine Mama weg war,
Du hast es erlebt!
Kl: „Ja, das haben wir doch alle bemitleidet.“, ja, he, das habt ihr
alle bemitleidet, ich lach mir den Arsch ab! Bemitleidet. Ihr habt hinterher auf
mich... oh, Du, Onkel, Du, Du kommst jetzt mal her... mit Dir hab ich auch noch
ein Huhn zu rupfen!
Th: Ja.
Kl: Der Zwiebel... Zwiebel? Zwiebel sag ich schon... *lacht* Zwillingsbruder von
meinem Papa, Du, komm mal her! Komm mal Du her! Genau Du! Du bist nämlich
der Allerschlimmste! Du bist jetzt, oh ja, DU bist das Symbol für alle! Dich
kann ich her nehmen! Du drückst alle... Du bist alle! Du drückst aus,
was alle haben, das bist Du! Echt. Du bist es! In Dich kann ich alles rein stopfen,
weil Du hast es auch ausgedrückt! Weißt Du, was Du gemacht hast, mit
mir? Weißt Du, was Du gemacht hast? Du hast Deinen ganzen Hass, Deine ganze...
weiß ich nicht, Verzweiflung, alles, hast Du auf MICH abgeladen! Du hast
gesagt ICH wäre schuld! ICH wäre schuld, dass mein Vater säuft!
ICH wäre schuld! ICH! ICH! *wird laut* Ich wäre schuld gewesen! Das
hast Du gesagt! Ihr habt das gesagt, alle miteinander! Ihr habt gesagt, ich wäre
schuld! Ich! Ich! ICH! Oh man! Oh man oh man! Du hast gesagt ich bin eine Hexe...
ich wäre... keine Ahnung... die... pfff... genau wie Mutter, ich wäre
genau wie meine Mutter, die wäre auch schuld gewesen! Die war auch schuld!
Wir waren schuld! Ihr habt uns her genommen! Uns! Als Sündenbock! Ihr habt
einen Sündenbock gebraucht! Und WIR waren Euer Sündenbock! Meine Mutter,
und dann war sie weg, und dann ich! Ich war klein! Guck mal, wie klein ich war!
Ich war ein Kind! Ich war ein Kind, ich konnte das gar nicht aushalten! Immer
nur schuld zu sein, immer schuld zu sein, immer nur schuld zu sein! Schuld, dass
mein Vater trinkt, schuld, dass nix funktioniert, schuld, dass wir kein Geld haben,
schuld, dass.... weiß nicht, an was ich alles schuld war!
Th: Frag ihn mal, warum er Dich als Kind schuldig gemacht hat! Frag sie mal!
Kl: Warum habt ihr mich schuldig gemacht? Du! Warum hast Du mich schuldig gemacht,
warum? Weil ich eine Frau bin.
Th: Ach? Selbst als Mädchen? Du warst ein Kind! Oder frag ihn mal, ab welchem
Alter hat er Dich schuldig gesehen?
Kl: Ab welchen Alter hast Du mich schuldig gesehen? „Schon immer.“
Th: Also liegt es nicht am Frau sein.
Kl: Was? Was? Was? Was macht mich schuldig? Was? Dass ich geboren bin, oder was?
Was? „Du passt nicht hierher!“, sagt er. „Du passt nicht zu
uns!“, *schreit* „Du bist so anders, wir wollen Dich nicht haben!“
Th: Ja. Und das hast Du als Kind gemerkt, genau wie Deine Mutter. Dann zeig ihm,
was aus Dir geworden ist, deshalb. Zeig ihm mal, welchen Leidensweg Du hinter
Dich gebracht hast, was Dir alles passiert ist, weil DIE DICH nicht wollten. Zeig
es ihm mal.
Kl: Oahhh.... hier sitzt der Schmerz! *zeigt auf die Brust*
Th: Ja, das kannst Du ihm auch zeigen. Vielleicht ist das der Schmerz auch, frag
ihn mal, der Dich zum Trinken gebracht hat, oder zum....
Kl: Hier ist der Schmerz, hier ist der Schmerz *fasst sich an die Brust*, das
ist der
S u c h t schmerz. Das ist der Suchtschmerz, der steht für alle Süchte,
für alle, auch fürs rauchen. Für alles. Für alles. Ooooaaah....
Th: Hast Du den schon mal so deutlich gespürt?
Kl: Ja, ansatzweise.
Th: Red mit ihm, sag es ihm!
Kl: Schmerz, ich kenne Dich! Ich hab Dich schon mal gesehen und ich hab Dich schon
mal gespürt! Ja. Du sitzt hier in meiner Brust! Du sitzt hier in meiner Brust!
Ooah.... oh... das ist so was ganz Lebenswichtiges hier drin! Aber da tut es nur
weh! Ah! Das Herz tut mir weh! Die Lunge tut mir weh! Ich kann nicht atmen! Ich
nur ganz schwer atmen. Ooooh... aaah... mmh...mmh, Schmerz, mmmh... Du hast mir
die Luft abgedrückt! Ja, das weiß er alles. Und Du sitzt mir hinten
im Genick und auf den Schultern und im Rücken, und mein ganzer Oberkörper,
weißte so, die Schultern, das tut alles weh immer, und... oah.... *stöhnt*
Th: Ist das die Verspannung, die Du gespürt hast, so als 13jährige,
wo wir eben eingestiegen sind? Frag ihn mal! Oder spür mal die 13jährige.
Kl: Ja! Das ist die Verspannung, das ist genau das! Es ist ... der ganze Rücken
tut weh, ja, genau, jetzt krieg ich sogar einen Link dazu: Ich hab ja –
die sagt mir das gerade, ach, die ist gut, äh, Danke! – die sagt mir
gerade: „Ich bin ja damals sogar beim Orthopäden gewesen, und ich hab
ja so eine Wirbelsäulenverkrümmung, oder was die da als Erklärung
da hernehmen, ja? Hab dann so eine Liegeschale gekriegt, für mein Bett.
Th: Ja.
Kl: Und musste dann in dieser Liegeschale liegen, da...
Th: D.h. die hätten einfach nur tiefer fragen müssen: Was ist mit Dir
los?
Kl: Ich hatte immer so Schmerzen.
Th: Ja, klar. Du hast Deine Mama verloren.
Kl: Ich hatte immer so Rückenschmerzen.
Th: Du bist nicht angenommen worden, von Deiner Verwandtschaft, von Deinem Onkel.
Du bist schuldig gemacht worden.
Kl: Die Schmerzen hab ich heute noch! *stöhnt*
Th: Du hast damals schon quasi Deinen Suchtpanzer bekommen. Frag die 13jährige
mal, ob das stimmt!
Kl: Ulla, was hast Du damals gemacht, mit Dir? Oder was hast Du.... war das damals
die Sucht, die schon los ging? Sie guckt so ganz betreten, irgendwie nach unten.
Guck mich halt mal an! Mir kannst Du es doch sagen, bin doch ich, hm? Ich kenne
es doch. Ich weiß doch alles. Und das ist auch nicht schlimm. Mhm, sie nickt.
Th: Hat sie eigentlich ihre Mama gesucht? Oder Geborgenheit?
Kl: Sie war immer allein.
Th: Warum war ihr Papa nicht bei ihr?
Kl: Oh Gott, weil er so ein Gierhals ist, und weil er so... weil er seine Freundin
besteigen wollte und mit der sich gut vertragen wollte, und das war ihm wichtiger
als ich. Seine Freundin, mit der er Sex hat, das war ihm wichtiger als ich.
Th: Sag es ihm direkt!
Kl: Gell? Das stimmt! Ich hab Recht! Oder? Ich...das weiß ich jetzt... sag
Du es! Sag Du es! Stimmts? Ich hab Recht! „Ja, die war ihm wichtiger als
ich, weil das war ja schließlich seine Freundin.“ Und deswegen hat
er sich nicht auf meine Seite gestellt. Er ist bei ihr geblieben. Junge, was die
alles gemacht haben! Oh.
Th: Und was haben die mit Dir gemacht? Was hat er mit Dir gemacht? Sag es ihm!
Kl: Papa, weißt Du was ihr damals alles gemacht habt? „Ach, das sind
doch... Krämpf...Pföts..“, ja, ja, logisch, Du nimmst das ja alles
nicht ernst, ne? Mit so einem Kind, da kann man ja alles machen, das nimmt es
ja nicht... das ist ja nicht schlimm!
Th: Zeig es ihm, was in Dir rumort! Sag es ihm! Er muss das hören!
Kl: Weißt Du eigentlich, dass Du einen riesengroßen Teil dazu beigetragen
hast – wenn nicht sogar den Hauptteil – oder DEN Hauptteil überhaupt,
dass ich so lange Drogen genommen hab?! Und so lange getrunken habe? Und so lange
in irgendeiner Art und Weise versucht habe meine Gefühle zu verdrängen...
zu... nicht zu fühlen, das ich mich nicht fühlen wollte? Weil ich mich
nicht fühlen konnte, weil ich es nicht ausgehalten habe, mich zu fühlen!
*wird lauter*, weißt Du das eigentlich, dass Du, verdammt noch mal, schuld
daran bist, dass Du genauso viel Schuld hast wie ich! Man!
Th: Schau mal, wie er reagiert!
Kl: Ha zumindest hörst Du jetzt mal zu! Jetzt hört er endlich mal zu!
*sehr wütend*, *knurrt*, er hat nie zugehört, nie, nie, nie!!! Der kann
ja gar nicht zuhören, der wusste ja gar nicht was zuhören...
Th: Sag es ihm! Sag es ihm!
Kl: Du hast gar nicht gewusst was Zuhören ist! Ja! Jetzt! Jetzt hörst
Du zu! Kannst Du Dich erinnern, was die gemacht haben? Weißt Du das noch?
Und Du hast nix getan! Die haben mir das Telefon abgestellt! Da war die Brigitte,
also Deine, Deine, Deine... ach Gott, wie nenne ich das denn jetzt? *hmpf* Die
Frau, die Du... mit der Du... mit der ihr... ihr halt... die, ihre Söhne,
also der Friedrich, ihr Sohn, das weißt Du ja, und ... ah, Du erinnerst
Dich, gell? Jetzt erinnerst Du Dich! Jetzt kommts langsam durch, erinnere Dich
mal! Da hat es geheißen: „Die telefoniert zu viel! Die telefoniert
zu viel!“, ja, klar, ich musste mit irgendwem telefonieren, obwohl es gar
nicht so viel war, ihr habt echt übertrieben, und... dann... hat der Friedrich
ins Telefon was eingebaut, irgendwie, das war damals dann möglich, und dann
konnten alle telefonieren. Nur ich nicht. Alle. Jeder hat gewusst wie es geht,
jeder konnte an dieses Telefon ran, nur i c h n i c h t . Und Du hast gebrüllt,
ich bin ein Miststück und ein ... und ein... und weiß ich nicht was,
und wenn ich so weiter mach, dann steckst Du mich ins Heim. Hast Du bebrüllt
damals, erinnerst Du Dich noch? Und was ich dann zu Dir gesagt habe?! Ich hab
Dich angeguckt, und zwar mit so einer Intensivität, dass Du schwach geworden
bist, und hab zu Dir gesagt: „Und wenn Du das machst, dann bring ich mich
um! Dann bist Du mich auch noch los!“, das Thema kam nie wieder. Du hast
nie wieder davon etwas gesagt, mich ins Heim zu stecken. Hm. Erinnerst Dich, gell?
Ja.
Th: Zeig ihm auch, wie das war, wenn er so was sagt!
Kl: Hm, wie das war?
Th: Er soll ruhig wissen, was in Dir vorgegangen ist.
Kl: Ich wollte nur weg da. Ich wollte nur weg.
Th: Sag es ihm! Sag es ihm!
Kl: Papa, ich wollte nur weg da. Ich wollte nur weg, von Euch. Das war grausam.
Es war grausam bei Euch. Buah, es war grausam. Du hast mich überhaupt immer
nur hin und her geschoben. Du hast mich ja gar nicht... genau Mensch, wisst ihr
das eigentlich? Oah, das fängt es ja schon an! Als ich 11 war.... also zuerst
haben wir zusammen gewohnt (im Alter zwischen 6 und 9), Du und ich. Du weißt
das noch. Und dann, ich war neun Jahre alt, hast Du diese Frau da kennen gelernt.
O.k. Ihr habt angefangen...hm.. rum zu machen, da war ich ungefähr 10 oder
11, habt Ihr Euch entschieden, dass ihr jetzt zusammen ziehen wollt. So. „Na
ja, und was machen wir jetzt hier mit diesem Anhängsel Kind da? Was machen
wir jetzt mit der da? Die können wir ja nicht mit nehmen, gell? Die stört!
Was machen wir mit der?“ Was habt ihr mit mir gemacht? Ihr habt mich abgeschoben
zu Oma und Onkel. Und da durfte ich dann mit meiner Oma, mit meiner weiß
ich nicht wie alten... 75 Jahre alten... nach weiß nicht was stinkenden,
schnarchenden, komisch schnaufenden Oma... im Ehebett schlafen, mal wieder, im
Ehebett, mit irgendwem, und irgendwo nebenan hat der Onkel geschlafen und da musste
ich dann sein! Das war dann... da bin ich dann.. da, da... da musste ich dann
sein! Und Du hast Dich da eingenistet, da drüben, bei Deiner Freundin! Jetzt
bist sie beide los gewesen, die Kinder: Meinen Bruder hast Du zur Oma gesteckt,
zur einen Oma (die Mutter meiner Mutter), mich hast Du zu der Oma gesteckt, zack,
und Kinder weg. Und dann bin ich mit 12.. hab ich Dich gebeten: „Ich will
da raus! Ich will mein eigenes Zimmer und überhaupt, ich bin in der Pubertät,
mein Busen wächst, und ich will nicht, dass mich mein Onkel da so anstiert,
wenn ich mich da so umzieh! Da hab ich keinen Bock drauf!“, hm, o.k. das
war ein Argument.
Th: Du hast drei Jahre bei Deiner Oma gelebt?
Kl: Zwei. Und mein Onkel hat dann irgendwann mal angefangen, mich so lüstern
anzugucken... und ich hab gedacht... ich hab das nicht ausgehalten!
Th: Sag es ihm mal direkt: Lass ihn mal auftauchen und sag es ihm mal direkt!
Kl: Onkel, ich hab das Gefühl gehabt, Du guckst mich lüstern an. „Hm.“
Th: Der Bruder von Deinem Vater?
Kl: Ja. Ja, ich sah ja auch geil aus! So jung und unangetastet, mit dem Nachthemd
da, ich weiß ich hab keine großen... Ländereien hier, aber immerhin,
und das hat Dir halt gefallen. „Hm. So frisch und unverbraucht. Gerade flügge
werdend.“
Th: Erzähl ihm ruhig auch, dass Du Angst vor ihm hattest, oder vor seine
Lüsternheit oder was auch immer. Sag es ihm. Er soll das wissen.
Kl. Ich hab Angst davor. Ich hab Angst vor Dir. Ich hab Angst, wenn Du mich nur
anguckst, hab ich Angst.
Th: Ja.
Kl: Du hast auch so einen gierigen Blick drauf. Bist genauso ein Lustmolch...
so ein... so ein Triebtäter, würde ich schon fast sagen, Du bist auch
so ein potentieller Triebtäter. Und mit Dir will ich überhaupt nichts
zu tun haben! Du ekelst mich an! Und Du stinkst, und Du bist ekelhaft, und Du
bist einfach... bäääh! Iiiih, bäh, *schüttelt sich*,
ihgitt. Obwohl Du anders aussiehst als mein Vater, aber Du siehst auch nicht besser
aus, nein, ihr seid beide echt... also gut, mein Vater ist es irgendwie nicht
mehr, aber Du bist es noch, und Du bist irgendwie... nee, *verneint*, Du musst
mal schön die Finger von mir lassen, Abstand nehmen... und ich finde Dich
ganz abstoßend. Und deswegen will ich da raus und bin da raus. Und dann
hat mir mein Vater...
Th: Sag es ihm wieder.
Kl: Dann hast Du mir, genau DU, ha, jetzt sind wir wieder bei Thema, dann hast
Du „O.k., was machen wir?“, und so, „Brauchen wir ein Zimmer,
ja, o.k., was können wir machen?“, und dann war natürlich in dem
Haus bei Deiner Freundin, bei Dir Brigitte, genau, Du bist jetzt auch da, bei
Dir, da war kein Zimmer mehr frei, außer das Bügelzimmer, ganz oben
im Dach. So ein Miniaturzimmerchen. So. Das hab ich gekriegt. Ein kleines Dachfenster...
und irgendwie so viel Platz, dass man sich gerade einmal im Kreis drehen kann
und das war es dann! Und dann musste ich auch noch die Bügelmaschine... ich
konnte nicht abschließen, weil da stand ja die Bügelmaschine. Und die
muss ja jederzeit... Du musstest ja jederzeit an Deine Bügelmaschine ran
kommen. Ja. Und deswegen hab ich überhaupt gar nicht mein Zimmer gehabt,
das war gar nicht mein Zimmer, das war die Abstellkammer, ich bin in der Abstellkammer...
ich bin wie... deswegen war das mein... wie... wie heißt denn dieses Märchen
jetzt, verdammt? Aschenbrödel! So hab ich mich gefühlt! So richtig:
Die Stiefmutter, und das Aschenbrödel kriegt die Abstellkammer und wenn irgendwas
kaputt war im Haus, dann war ich es, dann kam mein Vater hoch: „Was hast
Du denn wieder gemacht?!“, zack, hab ich eine kriegt, wenn ich dumm gefragt
habe, wumm, hab ich noch eine gekriegt, und dann... ich war an allem schuld, egal,
was kaputt war, es war immer ich. Ihr seid mit den verrücktesten Sachen zu
mir gekommen! Mit den verrücktesten Sachen! Ihr habt mich für Sachen
verantwortlich gemacht... meine Güte, das ist kaum zu glauben, da kannst...
das ist.. das ist eine... das ist schon fast eine Comedy. „Es liegen Nägel
im Wohnzimmer herum. Hast Du im Wohnzimmer genagelt?“, wenn ich jetzt erwachsen
wäre, könnte ich sagen: „Haha, wie meinst Du das denn jetzt?“,
aber damals, da hab ich das natürlich noch nicht gesagt, „Ich? Nee,
wie jetzt, genagelt? Ich hab nicht im Wohnzimmer genagelt. Soll ich jetzt Nägel
in die Wände hauen? Oder was?“, und sie: „Doch, Du hast im Wohnzimmer
rum genagelt!“, „WAS hab ich?“. Auf was für Ideen die kommen!
Ich hab im Wohnzimmer herum.... was für eine abstruse, völlig aus der
Luft geholte Idee! Klar, ich gehe in den Keller, hole mir Nägel, und dann
hau ich die wild in die Wände rein oder... *lacht* was für eine bescheuerte
Idee ist das? Echt! Wenn das Bügeleisen kaputt war, wenn irgendwas nicht
gestimmt hat, immer war es ich. Immer. Immer. Das war so schön, das Spiel.
Th: Sag ihnen aber auch, wie Du Dich gefühlt hast.
Kl: Verzweifelt. Ich hab mich verzweifelt gefühlt, ich hab gegen alle gekämpft.
Verzweifelt. Völlig, völlig, total verzweifelt, absolut. Ich hab mich
gefühlt wie... das kann man gar nicht beschreiben, dafür gibt es kein
Wort, echt nicht, ein unglaublicher Schmerz. Das hat wahnsinnig weh getan, ich
hab geschrieen vor Schmerzen. Dann hab ich meine Tage... da hab ich geschrieen
vor Schmerzen. Geschrieen.
Th: Ja.
Kl: Ich hab geschrieen, ich bin in dem Bett gelegen und hab geschrieen, das hat
so weh getan, es hat sooo weh getan. Alles hat weh getan, alles, alles was passiert
ist. Das war ... *wäh*, *ist angewidert*
Th: Ja. Jetzt kannst Du die Verspannung von diesem 13jährigen Mädchen
besser verstehen. Sie hat alles gespeichert, sie hat alles festgehalten.
Kl: Ach und dann war noch die Sache mit dem Tagebuch. Da wollten sie... oah...
oh Gott ja, puuh, pfff... da hab ich gedacht, da hab ich...
Th: Rede mit ihnen!
Kl: Brigitte, hör mal zu, als Du das gemacht hast, da hab ich gedacht: „Wenn
das jetzt klappt, wenn der Plan von Dir klappt, dann bringe ich mich wirklich
um.“, weil ihr habt damals, Du hast damals... ich hab in mein Tagebuch geschrieben
- ich war auch voll hasserfüllt – und ich hab in mein Tagebuch so ein
hässliches Bild rein gemalt, von Dir, und hab drunter geschrieben: Brigitte,
die ... weiß ich nicht was... fette... äh... sau...hab alles, was man
so als, was man so an Kraftausdrücken kennt, hab ich da rein und hab alles
abgeladen und hab geschrieben: Das bist Du. So. Diese Tagebuchseiten, die hab
ich rausgerissen, hab dann ein neues Tagebuch gekriegt, gehabt, und hab die rein
gelegt, zu gemacht, weg gelegt. Und irgendwann haben diese Seiten gefehlt. Hm.
Ich hab gedacht: „Hm. Wo sind die? Weg. Hm.“, ich konnte ja nicht
wissen, dass Du die hast, natürlich, Bügelzimmer, hm, natürlich,
ich konnte ja nicht abschließen, aber damit... ich bin zu gutgläubig!
Da bin ich wieder bei meiner Gutgläubigkeit: Ich traue es den Menschen gar
nicht zu, dass sie Tagebücher lesen, oder sich da was nehmen. Das traue ich
den Menschen gar nicht zu. Das macht man doch nicht! Das mach ich doch nicht!
Ich geh doch nicht hin und lese irgend jemandes Tagebuch, wenn ich nicht gefragt
habe, ob ich das darf! Das ist doch ganz natürlich, dass man das NICHT tut!
Und deswegen rechne ich auch nicht damit. Ich habe nicht damit gerechnet, dass
Du das Tagebuch nimmst. Ich hab das da liegen gehabt, in vollstem Vertrauen, dass
Du garantiert da nicht rein guckst. Aber das konnte ich ja nicht... Dir kann man
ja offenbar nicht vertrauen! Du hast es genommen, Du hast die Seiten raus genommen,
und was hast Du gemacht? Vier Monate lange gewartet, und sie dann meinem Bruder
gegeben, denn Du wolltest meine Bruder auf Deine Seite ziehen. Dann hat mein Bruder
bei mir angerufen, und hat gesagt – er war total aufgeregt – und hat
gesagt: „Mensch Ulla, was hast Du denn gemacht?“, und angefangen mich
zusammen zu scheißen. Und ich: „Um was geht es denn? Was ist denn
los? Was ist den Sache? Hallo!“, äh, jetzt fängt der auch noch
an, mich hier zu beschuldigen, wegen irgendwas? „Wa..wa..was, was, was ist?“,
und er dann, ich soll mal kommen. Dann haben wir uns getroffen, dann hat mir die
gezeigt: „Was hast Du da getan?!“. Uoh! Uoh... bin ich... uoh, uoh,
uoh! Ich bin mehr oder weniger zusammen gebrochen, vor meinem Bruder, und hab
ihm weinend gestanden...
Th: Sag es ihm!
Kl: Carl, Du weißt es noch, gell? „Ja.“ Ich bin vor Dir zusammen
gebrochen und hab weinend... Dich angefleht, mir bitte zu glauben: „Ich
hab diese Seiten der Brigitte nicht als Brief gegeben!“, die hat behauptet,
ich hätte sie ihr als Brief gegeben, das hab ich nie getan! Das hab ich nie
getan! Du hast es mir dann irgendwann geglaubt, gell? Und... ja, er hat mir dann
geglaubt, er hat gesehen, es war echt, er hat gesehen, ich fühle echt. Ich
hab wirklich...ich hab das nicht... so was kann man nicht spielen. Ich hab es
nicht gespielt... ich hab ihn angefleht: „Bitte, bitte, glaub mir, ich hab
ihr das nicht als Brief gegeben, das sieht man doch...“, genau, und der
Beweis war dann, siehst Du, dann hast Du... genau, mein Bruder braucht immer,
Du brauchst immer Beweise, gell? Ich hab ihm so diese Seiten gezeigt, und da war
so ein Rahmen außen herum, und oben ist so ein Gedicht dran gestanden, und
damit war es der Beweis: Das sind Tagebuchseiten! Es waren Tagebuchseiten, keine
Briefseiten, kein Brief! Und dann hat er es mir geglaubt, dann hast Du es mir
geglaubt? Ja, dann hat er mir geglaubt. So. Und dann hat das nicht geklappt, ne,
Brigitte, dass Du den auch noch auf Deine Seite ziehst, weil dann hätte...
dann... das wäre der Todesstoß gewesen. Das wäre er gewesen. Das
wäre er wirklich gewesen.
Th: Du wärst alleine gewesen.
Kl: Das wäre der Todesstoß gewesen, da hätte ich mich... da wäre
ich... ich wäre gegangen, ich wäre dann gegangen. Weil dann wäre
es mir gegangen wie meiner Mutter, die war allein. Die hat keinen Bruder gehabt.
Den hatte sie nicht. Sie hat zwar zwei Brüder, aber die waren nicht so wie
wir. Und wenn DIE mir den noch weg genommen hätte, wenn das geklappt hätte,
das weiß ich noch ganz genau...
Th: Sag es ihr mal ganz direkt, jetzt!
Kl: Wenn DU das geschafft hättest, und mir den weg genommen hättest,
weißt Du, was Du dann getan hättest? Du hättest mich umgebracht.
Das wäre ein... ja, das wäre Mord, fast schon, nicht ganz, aber Beihilfe
zum Selbstmord, nennen wir es mal so, und zwar ganz schön viel Beihilfe,
weil das wäre der Todesstoß gewesen, ich hätte ich umgebracht.
Das war ihr nicht bewusst!
Th: Ja.
Kl: Sie konnte ja nicht wissen, wie ich mich fühle, sagt sie.
Th: Hätte sie mal nachfragen sollen.
Kl: Hm. Hättest mal nachfragen können.
Sie war eifersüchtig, sagt sie. Na ja...
Th: Ja mit der Tochter zu konkurrieren ist ja Quatsch!
Kl: Das war... wir haben konkurriert!
Th: Dann sag das Deinem Papa, dass er da irgendwie offensichtlich nicht für
klare Trennung gesorgt hat. Sie ist die Frau und Du bist die Tochter, er hat wieder
alles vermengt.
Kl: Papa, guck mal! Du hast die ganze Scheiße fortgeführt! Du hast...
was hast Du eigentlich gemacht, dass das immer so war? Wir waren Rivalinnen! Die
hat um Dich gebuhlt!
Th: Er hätte Dich ganz klar als Tochter halte müssen! Ganz klar: Du
bist die Tochter! Und jedem klar machen müssen, dann gibt es kein Problem.
Tochter ist Tochter und Frau ist Frau, das ist ein riesiger Unterschied!
Kl: Das konntest Du nicht, stimmt es? Du konntest nicht „Tochter ist Tochter“,
das ging nicht, ne? Weil Du hast ja... was... er hat mir ja... genau! Sag es ruhig!
Er hat in mir meine Mutter gesehen: Ich sehe ihr doch so ähnlich.
Th: Ja. Und er hat Dich als Kind schon benutzt, das soll er jetzt endlich auch
mal sagen!
Kl: Du hast mich benutzt! Du hast mich benutzt, stimmts? Für alle Deine Zwecke
hast Du mich benutzt!
Th: Auch für seine Geilheit und alles...
Kl: Ja.
Th: Deshalb kann er Dich nicht als Tochter wahrnehmen, oder das nicht trennen.
Und er soll das jetzt mal seiner Frau sagen, wie heißt sie, Brigitte oder..
Kl: Brigitte.
Th: Ja, fordere ihn mal auf, dass er es ihr erzählt! Damit sie ein bisschen
wahrnimmt, wer Du überhaupt bist!
Kl: Klärt das jetzt mal miteinander! Kommt mal her... Du bist ja schon da,
Du bist auch da, o.k., sag ihr das mal! Sag ihr wer ich bin, wer ich WIRKLCH bin!
Nicht, wer Du gedacht hast, das ich bin, sondern wer ich wirklich bin! Sag ihr
das!
„Brigitte, das ist doch bloß meine Tochter. Die steht doch nicht in
Konkurrenz zu Dir.“
Ja, aber sie hat was anderes gefühlt, sagt sie. Sie hat die Konkurrenz, sie
hat gespürt das... was?? Sie wollte nicht, dass er mich so sehr liebt.
Th: Ja. Hm.
Kl: Du wolltest nicht, dass er mich so sehr.... Du hast doch auch ein Selbstwertproblem!
Mein Gott, echt, wenn man sich seiner Liebe sicher ist, dann muss man doch keine
Angst haben, dass jemand einen anderen auch noch liebt! Ihr seid alle völlig
verkorkst!
Th: Ja.
Kl: Also so ein verkorkster Haufen von Emotionskrüppeln!
Th: Und Dein Vater soll ihr mal sagen, dass er Dich offensichtlich als Kind schon
sexuell missbraucht hat. Vielleicht hat die gespürt, dass da mehr ist, dass
da unterschwellig was läuft, dass er gierig ist auf Dich - keine Ahnung,
die hat vielleicht was wahrgenommen. Die sollen mal miteinander reden jetzt, und
guck mal, was dann passiert!
Kl: O.k. Jetzt redet mal miteinander! Vater, Du sagst ihr jetzt mal alles, was
Du weißt, o.k.? Du weißt, was Sache war: Du hast mich benutzt, Du
warst geil, Du hattest niemanden, wo Du das leben konntest, dann hast Du Dir mich
genommen und dann warst Du geil und hast Dir da einen runter geholt... oder ich
weiß nicht, was Du gemacht hast, jedenfalls geschleckt und.... wahrscheinlich....
dann danach noch einen runter geholt, möglich, keine Ahnung... jedenfalls:
Sag es ihr! Sag ihr was war! Sag ihr, was Du gemacht hast! JA, er war geil auf
mich, sagt er! JA! Das hat sie schon immer gewusst! JA!
Th: Siehst Du, und das hat seine Freundin auch gespürt, dass das mehr ist
als Tochter. Also Dein Vater hat wieder den Trennungskeil zwischen Euch geschoben,
sonst hätte seine Freundin Dich vielleicht sogar als Mama nehmen können...
Mama für Dich sein können....
Kl: Deswegen musste ich WEG! Deswegen musste ich aus dem Weg geschafft werden!
Th: Ja.
Kl: Ich musste weg, sie hat mich raus geschmissen, DU hast mich raus geschmissen!
Deswegen?! Ja, deswegen, die hat mir raus geschmissen.
Th: Guck mal, ob sie nickt oder mit dem Kopf schüttelt.
Kl: Brigitte? Nick mal, oder schüttle mit dem Kopf: Wolltest Du mich los
werden, aus dem Grund? Jetzt drucks bitte nicht rum, ja! Ich hab eine klare Frage
gestellt, ich will eine klare Antwort! Bitte hör auf mit dem Herumdrucksen!
Die druckst gerade so rum.... ich WILL eine klare Antwort! Ja, ein langsames Nicken,
aber ein Nicken.
Th: Ja.
Kl: *schnauft schwer*, man, wir machen hier Krisensitzung, sitzen wir alle am
Tisch.
Th: Ja. Das wurde aber auch mal Zeit, dass die Probleme alle angeschnitten wurden.
Kl: Mhm.
Th: Sind die eigentlich bei Deiner Suchttherapie nie, nie so...mal auf den Tisch
gekommen? Habt ihr nie so darüber diskutiert? So kreuz und quer? Weil, das
ist ja eine ganze Menge Verwechslung, was Du als Kind tragen musst, mehr oder
weniger.
Kl: Hm, nie so konkret, das war alles eher so *wischiwaschi*. Nein, genau, jetzt
weiß ich es wieder: Bei meiner Suchttherapie ging es mehr um den Sandro
und die Trennung vom Sandro, dass ich das schaffe. In war so sehr in dieser Beziehungsabhängigkeit
drin, und es war das Wichtigsten, Forderste, Vorrangigste Thema.
Th: Dich von Deinem Exmann zu trennen.
Kl: Mich von meinem Ex-Freund, das war Freund, mein Exmann ist der Micha, und
mit dem bin ich schon länger getrennt lebend, und mit meinem... dann hat
ich einen Freund, und der hat mich ja auch so schlecht behandelt und mich auch
schon mal gewürgt und... ja, ich das Opfer und er der Täter, so ungefähr,
ich hab aber auch getätet... *lacht*, also getan, *lacht*, hehe, „getätert“.
Und von dem musste ich mich irgendwie trennen, das konnte ich irgendwie nicht,
und dann bin ich immer wieder zurück zu ihm, das war alles ganz schrecklich,
und dann haben wir... mit Alkohol und so... hin und her, und das war das wichtigste
Thema.
Th: O.k.
Kl: Da bei der Therapie.
Th: Also ihr seid nicht tiefer gegangen?
Kl: Wir sind nicht tiefer gegangen, nee. Das ging auch gar nicht, weil die hatten
ja gar nicht die Mittel an der Hand.
Th: Na, guck mal: Was machen wir hier jetzt? Wir reden seit einer Stunde, mehr
machen wir auch nicht.
Kl: Hm, hast Du auch wieder recht! Ja, aber die machen das nicht so, die... weiß
auch nicht... die kratzen da nur so oben, an der Oberfläche rum.
Th: O.k.
Kl: Deswegen bin ich auch mit Bulimie heim gefahren, von der Therapie.
Th: Ah ja?! Die Du vorher nicht hattest?
Kl: Genau.
Th: *lacht*, das ist ja heftig! Das ist schon...
Kl: *lacht*, ich bin trocken... also ich war... ich hab die Bulimie schon vorher
gehabt, in dem Sinne, aber nicht aktiv! Ich war praktisch symptomfrei. Und hab
dann, praktisch, dort das Trinken aufgehört, bin in die Therapie, und dann,
nach zwei, drei Wochen Therapie hab ich wieder angefangen mit Bulimie, ja, also
ich bin MIT Bulimie heim gefahren, ja, ich hab die mitgenommen.
Th: Wie lang warst Du dort in Therapie?
Kl: Vier Monate.
Th: *lacht*, schönes Souvenir!
Kl: *lacht herzlich*, ja, das war so *zack*, ist das wieder angesprungen.
Th: Ja, o.k.
Kl: Aber wir sind ja nicht auf die Ursachen, wir sind ja nicht tief gegangen,
ging ja nicht. *Pause* Damit hängt die Bulimie auch zusammen, kommt mir gerade,
mit dem ganzen, da hat es auch angefangen, in dem Haus da.
Th: Ja, ist klar. Wir haben auch eben diese 13jährige gefragt, und meine
erste Frage war – die ist ein bisschen unter gegangen, kannst ja noch mal
nachfragen: Wollte die nicht mehr leben? Weil „Nahrung verweigern“
ist ja „nicht mehr leben wollen“. Oder „raus kotzen“ =
„will ich alles nicht“, oder auch Deine Reaktionen im Moment, dass
Du jetzt nichts essen kannst, nichts zu Dir nehmen kannst, das ist ja eine ganz
tiefe... Du bist in Kontakt mit Deiner Verweigerung. Und das kommt ja jetzt auch
alles hoch, Dein „Nicht angenommen worden sein“, „Weg geschoben
worden sein“, „Nicht wichtig sein“, das sind ja alles Themen,
die sind alle abgespeichert.
Kl: Ja, es war so eine tiefe Sehnsucht nach Liebe, die nicht erfüllt wurde.
Th: Ja.
*Pause*
Kl: Jetzt zeigt sie mir ihr Loch, in der Brust.
Th: Ja.
Kl: Na, das hatte ich schon mal, das ist schon lange her, mit/bei der Inge, aber
jetzt zeigt SIE es mir, das hatte ich jetzt noch nicht. Die 13jährige macht
ihr.. ihr Ding auf, und hier *zeigt auf die Brust* ist echt ein Loch...
Th: Ja.
Kl: Dann kannst Du rein greifen, da ist nix... das sieht nicht gut aus. Ja, sie
nickt: „Das sieht nicht gut aus.“, und macht es wieder zu.
Th: Sie soll es ihrem Papa zeigen.
Kl: Zeig mal...
Th: Er wollte wieder was gut machen, hat er gesagt.
Kl: Guck mal, Papa, komm mal her! Der weint schon, der fängt schon an zu
weinen. Guck Dir das mal an! Guck mal. Zeig es ihm jetzt mal! Trau Dich, zeig
es ihm! Er dreht sich weg und weint.
Th: Er soll ihr, der 13jährigen, seine Tränen zeigen! So viel Nähe
muss sein. Fordere ihn auf, er soll einfach seine Traurigkeit – die ist
wahrscheinlich wirklich echt im Moment – soll bitte ihr auch zeigen, damit
sie wahrnimmt, dass sie auch... vielleicht sogar ganz tief geliebt wird, von ihm.
Kl: *atmet schwer*
Th: Schieb die zwei zusammen.
Kl: Zeig ihr das. Mach! Zeig es ihr! *weint*, er hat sich hingekniet, und hält
mir seinen Händen so ihre Beine, und macht den Kopf so drauf und weint bitterlich...
oder bitter... oder wie sagt man? Es tut ihm leid, das hat er nicht gewusst. *weint*
*Pause* Was sollen wir denn jetzt machen? Ich möchte dem Kind helfen.
Th: Sag es ihm.
Kl: ich möchte Dir helfen, Du tust mir leid! *weint*
Th: Zeig ihr auch Deine Tränen, ist o.k.
Kl: *weint*
Th: Dann spürt sie, dass sie nicht allein ist.
Kl: Es tut mir leid! Es tut mir so leid! Mein Gott, Du hockst hier in Deinem Zimmer...
was hast Du alles auf Deinen Schultern, mit Deinen 13 Jahren?! Was hast Du alles
auf Deinen Schultern zu tragen! Was haben die Dir da alles drauf gepackt?! *weint
noch*. Das ist zu schwer.
Warum ich? Warum? Warum ich? Warum habt ihr niemand anderen genommen? Warum habt
ihr mich genommen?
Scheiße! Ich will nicht in dieser Opferrolle sein! Ich finde das total scheiße!
Th: Dann sag es ihr.
Kl: Ich will nicht in der Opferrolle sein, das ist vorbei, ich will, dass es vorbei
ist! Das ist... Schluss jetzt, Schluss, aus, Opferrolle lange genug! So geht es
doch nicht mehr! Jetzt müssen wir aufhören damit! Aufhören! Stop!
Schluss! Wir haben uns geopfert... jaaaaaaaaaa! Lange genug!!!
Th: Guck mal, was sie sagt, die andere, die 13jährige. Die hat ein Loch im
Körper.
Kl: Sie konnte doch nix dafür, sagt sie. „Ich kann doch gar nichts
dafür!“
Th: Guck mal, ob Du ihr das zubilligen kannst. Das ist vielleicht gar keine Opferrolle,
es ist einfach so, wie es ist. Guck mal, ob Du sie annehmen kannst, darum geht
es. Vielleicht passiert damit der Frieden, wenn Du sie annehmen kannst.
Kl: *weint, schluchzt*
Th: Frag sie mal, ob sie von Dir angenommen werden will!
Kl: Da nickt sie schon. Ich bin sauer auf Dich!
Th: Sagst Du zu ihr?
Kl: Ja.
Th: Warum bist Du sauer auf sie? Sag ihr das auch!
Kl: Weil Du das Opferlamm bist! Und ich will nie das Opferlamm sein!
Th: Ja. Deshalb ist sie auch so alleine: Sie hat ihren Papa gegen sich und sie
hat Dich gegen sich. Weil wenn Du sie bist kannst Du ja kaum noch überleben.
Sag ihr das mal.
Kl: *schnief*
Th: Du hast Angst vor ihr. Ist o.k. Sag ihr das!
Kl: Ich hab Angst vor Dir... Du bist ja... Du bist ... Du bist... was bist Du?
Du bist so... Du hast ein riesiges Loch in der Brust! Du bist schon halb tot!
Ich hab Angst vor Dir, Du bist halb tot! Du bist... ich weiß nicht... Du
klein und Du nimmst das alles so hin.
Th: Sie hatte keine Chance mit 13. Sie musste durchhalten.
Kl: Du nimmst das alles so hin und trägst alles.
Th: Sie musste überleben. Sie hat Du dazu beigetragen, dass Du heute lebst.
Kl: Stimmt.
Th:.... (Text nicht verständlich, wegen der Musik), Du bist aus der Zukunft
gekommen und Du holst sie jetzt nach. Du hast es geschafft, zu überleben,
aber Du musst das jetzt auch erlösen und sie wieder zu Dir holen.
Kl: Ich möchte...
Th: Irgendjemand muss Dich lieben, mit 13.
Kl: Ich möchte Dir helfen. Ich möchte Dir helfen, ich bin jetzt groß,
guck, ich bin 33, ich kann Dir jetzt helfen, ich bin jetzt an dem Punkt, ich kann
es jetzt, und ich möchte es machen, ich möchte Dir helfen. Ich weiß
bloß nicht genau wie... und...
Th: Du weißt wie: Du musst sie nur lieben. Du musst sie nur annehmen. Darauf
wartet sie, und wenn nicht, frag sie.
Kl: O.k.: Was muss ich machen? „Mich lieben, so wie ich bin, MIT dem Loch.“
Th: Ja.
Kl: „So hilflos wie ich bin. So schwach wie ich bin. So traurig wie ich
bin.“
Th: Selbst die Opferrolle musst Du lieben, Du hast sie gehabt.
Kl: Puuuh. Ich muss Dich lieben mit dem Loch? Dich schwaches, kleines Ding? „Wer
soll mich denn sonst lieben?“, sagt sie.
Th: Dein Papa müsste Dich auch, müsste diese 13jährige auch lieben.
Kl: Sie sagt, sie hat niemanden mehr. Also wenn ich Dich lieben soll, dann...
dann musst Du auch was von mir nehmen. Dann musst mit mir zusammen arbeiten, dann
müssen wir was verändern... Ich liebe Dich schon, erst mal, grundsätzlich...
lieb ich Dich? Nee. Ich stelle hier Bedingungen. Ich will Dich aber bedingungslos
lieben.
Th: Ja... *lacht*
Kl: Sch...eiße...
Th: Du bist immer dabei, Dich auszutricksen.
Kl: Scheiße.
Th: Die ist sehr stark, die stellt die Bedingung dass Du keine zu stellen hast!
Punkt.
Kl: Aaaah!
Th: Ja, das ist ganz klar. *lacht*
Kl: Sie sagt, ich muss sie bedingungslos lieben.
Th: Ja, die ist stark, ne, die ist gut!
Kl: Ich muss sie lieben MIT Loch! Mit allem!
Th: Ja!
Kl: Scheiße.
Th: Nein, nicht scheiße, die ist toll! Absolut. Ulla, das bist Du!
Kl: *weint wieder*
Th: Ulla, Du bist das.
Kl: Das hab ich aber nie geschafft! Wie soll ich das jetzt machen?
Th: Sag es ihr!
Kl: Ich hab es nie geschafft Dich zu lieben so wie Du bist.
Th: Ja, deshalb sind wir ja jetzt wieder an dem Punkt.
Kl: Ich wollte Dich nie haben, Du warst mir immer zu schwach!
Th: Ja, klar. Das war o.k., Du hast es geschafft, bis heute, aber jetzt bist Du
zurück gekommen und sie wartet, so einfach ist das. Sie hat gewartet bis
heute, willst Du noch 20 Jahre warten?
Kl: Nee.
Th: Na also. *lacht*
Kl: *lacht*, puuh, also weißt Du was? Ich sag Dir jetzt mal was: .... *schnauft
tief*... Puuh... Du siehst echt nicht gut aus, wirklich nicht, mit dem Ding da
in der Brust, das ist nicht wirklich appetitlich, und Du bist ganz blass und Du
bist völlig... irgendwie so ein blasses Ding da... aber Du hast irgendwo,
in Dir drin, weiß ich ganz genau, dass Du ganz viel Power hast, trotzdem,
weil ich lebe nämlich noch, und... auch wenn Du da jetzt so ein Loch hast,
und auch wenn Du jetzt ganz blass bist, und auch wenn Du jetzt irgendwie hier
herum schwächelst, *weint*, Du kannst ja nix dafür! Du kannst ja nix
dafür, verdammt! Ja, ich lieb Dich! Ja, ja, ja! Ja! *weint eine Weile*
Ich hab Dich trotzdem lieb! Oah.
„Jetzt hast Du ganz schön lange gebraucht!“, sagt sie. Du siehst
auch unappetitlich aus, sag ich Dir, ist gar nicht so einfach.
Th: Schau mal, was Dein Vater macht.
Kl: Guck mal, ich hab die Kleine auf dem Schoß! Hier, die mit dem Loch da!
Er guckt nur zu, er sagt nichts. Guck! Die sitzt hier bei mir... und guck mal,
wie die sich an mich schmiegt! Guck mal, wie die danach lechzt... dass sie sich
mal an jemanden schmiegen kann, der sie liebt! Guck Dir das mal an, echt! So eine
kleine, süße Maus... ich bin jetzt da. Ich bin da.
Er sagt, er möchte auch etwas tun.
Th: Ja, es wird Zeit, Du hältst seine Tochter.
Kl: Er fragt, ob sie es annehmen will. Das kann ich nicht sagen. Da musst Du sie
fragen!
Th: Das muss es riskieren, dass er abgelehnt wird, er kann nicht vorher eine Garantie
bekommen. Das geht nicht. Er kann nur sein Herz aufmachen.
Kl: Hast Du gehört, Papa? Du kannst nur Dein Herz aufmachen und es einfach
probieren, wenn Du abgelehnt wirst hast Du halt Pech gehabt, aber Du musst es
wenigstens versuchen, weil... willst Du es jetzt oder willst Du es nicht, sie
ist jetzt hier, siehst Du, die ist da! Und die hat lange drauf gewartet! So lang!
SO lang!
Th: 20 Jahre.
Kl: Also mach jetzt, oder lass es! Er geht in die Knie. Aah, ist das schön
*atmet erleichtert auf*, die ist jetzt auf ihn zugerannt und hat sich in seine
Arme geschmissen. Ah, ah... sie hängt sich an den hin wie so ein Äffchen...
Th: Das ist ihr Papa.
Kl: Ah... halt mich, halt mich, halt mich, halt mich.
Th: Guck mal, ob das auch der Teil ist, der diese Abhängigkeit hat, wenn
Du in Beziehungen bist, oder warst.
Kl: Ja. Puh. Ich hab versucht... äh, sag Du es mir! Ich will es wissen! Kleine,
helfe mir, sag mir das, ich will darauf jetzt eine Antwort. Stimmt das? War es
so? Hab ich... war da diese Abhängigkeit, die ich hatte?
Th: Du hast eigentlich immer Deinen Papa gesucht.
Frag doch Deinen Typ da, den Du hattest, wo Du schlecht los kamst.
Kl: Sandro.
Th: Wie heißt er?
Kl: Sandro. Ah, der Sandro, ja, o.k., ich frag ihn mal! Sandro, warum bin ich
nicht von Dir los gekommen, so lange? „Weil Du wolltest, dass man Dich liebt.“
*Stille*, ja, aber Du hast mich ja gar nicht wirklich geliebt. Das war ja genau
das Muster.
Th: Frag mal, ob die Kleine bei ihm geklammert hat. Frag mal die kleine 13jährige.
Kl: Ja, das Bild ist sofort da. Aber Du, weißt Du was? Der hat genauso ein
Loch!
Th: Ja.
Kl: Und sie mit dem Loch und er mit seinem Loch, das funktioniert nicht. Die klammert
an ihm, aber da geht nix. Da kommt nix rüber. Der hat genauso ein Loch! Der
steht dran mit so einem dicken, fetten Loch da drin! Und die Kleine hängt
an ihm dran und will was kriegen, aber da kommt nix! Da kommt ja nix raus, weil
da ist ja auch nix! Da geht nix... nix, nix, nix! Die denkt immer nur „Ja,
kommt jetzt was? Kommt jetzt was?“, aber da kommt nix!
Th: Wie zwei Hungernde.
Kl: Ja, stimmt, genau wie zwei Hungernde. Zwei Liebeshungrige, die sich aneinander
klammern, und wollen, dass ihre Löcher geschlossen werden und keiner kann
es machen, weil es keiner hat. WOW! Was für ein Bild! Aber das hab ich schon
lange gewusst, dass Du auch so ein Loch hast, Sandro.
Th: Und dafür ist der Papa da, dass das Loch gestopft wird, weil das 13jährige
Mädchen den Papa braucht. Und das muss Papa verstehen! Das kann kein Mann
der Welt mehr ausfüllen, wenn das Loch da ist, das kann nur der Papa ausfüllen.
Kl: Papa, Papa... Du bist derjenige, der dieses Loch wieder ganz machen muss.
Th: Ja.
Kl: Das kannst nur Du, niemand sonst kann das. „Wie soll ich denn das machen?“.
Weiß ich auch nicht, ich weiß es nicht, Du musst es halt machen. Tu
halt irgendwas! Keine Ahnung.
Th: Vielleicht muss er sich wieder mit seinem „Symbolpapa“ verbinden.
Vielleicht muss er sich helfen lassen, vielleicht kann er das wirklich nicht,
muss das wieder lernen, vielleicht hat er selbst ein Loch. Vielleicht ist er auch
nicht geliebt worden, von seiner Mama, seinem Papa – keine Ahnung –
heraus finden.
Kl: Also, pass mal auf: Sag mir mal bitte, warum Du es nicht kannst und dann gucken
wir, was wir machen können. Er weiß nicht, wie man das anstellt, er
kann... er hat keine Ahnung wie man das macht. Er... o.k. gut, also, dann...
Th: Er soll sich vor den Spiegel stellen und soll sich mal angucken, ob er ein
Loch hat, ganz einfach.
Kl: Hast Du da auch ein Loch? Ja, klar, er hat auch eines.
Th: Dann soll er seinem Papa zeigen und seiner Mama zeigen.
Kl: Oh! „Hier guck mal! Ich hab das weiter gegeben!“, ja, die haben
auch alle Löcher oder was?! Das sehe ich jetzt zwar nicht, aber das hat er
jetzt gesagt. Also irgendwie... das muss ja mal aufhören. Also da gucken
wir jetzt... die Marlene: Marlene, Du hast aber jetzt kein Loch, oder? „Nö,
ich bin ganz.“, ja, Du hast ja auch einen Papa, der für Dich da ist.
Puh!
Th: Lass ihn mal auftauchen und sag ihm, wie das für Dich ist, dass er für
Deine Tochter da ist.
Kl: Micha, ich bin so froh, dass Du kein Loch hast und keines an die Marlene weiter
gibst, dass Du für sie da bist. Ja, das weiß er, das ist auch gut.
Er hat andere Sachen, die er an sie weiter gibt, aber das ist jetzt nicht das
Thema. Aber, das ist gut, das ist gut, das ist wunderbar. Das macht er gerne,
er macht es total gerne, er liebt sein Kind, er liebt es total, er liebt sie so
von ganzem Herzen. Von Anfang an hat er sie geliebt, wo er gewusst hat, dass ich
schwanger bin hat er sie schon geliebt. Ja, Du bist der beste Papa der Welt, bin
ich froh, dass es Dich gibt! *freut sich* Hach, unser Kind ist noch ganz! Juhu!
Buoh, bin ich jetzt erleichtert! Ah, Danke! O.k. zurück. *gähnt*
Th: Ich würde Dir folgenden Vorschlag machen – das mit Deinem Papa
dauert nämlich ein bisschen länger, weil das ist die ganze Familie,
die da bearbeitet werden muss, die ganze Verwandtschaft, weil das ist so ein Verwandtschaftsthema,
das wird weiter gegeben, wenn Du so willst, und Du hast es halt auch heftigst
abgekriegt, ich denke da brauchen wir ein bisschen Zeit für – ich würde
vorschlagen, Du machst mit Deinem Papa eine Vereinbarung, dass wir in der nächsten
Session auf die Suche nach Deinem Loch gehen, die ganze Verwandtschaft bearbeiten
und Du in der Zwischenzeit mit dieser 13jährigen zusammen bleibst. Du mit
ihr, weil das ist, glaub ich, der allerwichtigste Schritt, weil wenn wir jetzt
weiter suchen, dann reisen wir andere Themen auf, und das ist momentan gar nicht
sinnvoll.
Kl: Ja, das ist sehr gut, das ist ein sehr, sehr guter Vorschlag, bin ich total
damit einverstanden, fühlt sich auch voll gut an: Ich jetzt mit ihr. Das
ist ein ganz gutes Gefühl, das jetzt zu haben.
Th: D.h. Du bleibst bis morgen...
Kl: Sie hat das Loch noch und ich nehme sie jetzt erst mal so, wie sie ist. Ich
mach jetzt da noch gar nix, ich nehme sie jetzt erst mal so, wie sie ist.
Th: Das ist eine tolle Erfahrung für sie, dass ein Mensch für sie da
ist... und das bist Du.
Kl: Ja, fühlt sich auch ganz richtig an, ja.
Th: Und sag Deinem Papa, dass er ab morgen da... jetzt dran ist. Dann kann er
sich noch ein bisschen vorbereiten oder was auch immer, morgen ist er dran.
Kl: O.k. *gähnt herzhaft* Also Papa, guck mal, Du kannst das alles wieder
gut machen, die Chance kriegst Du, ähm, aber heute nicht mehr. Machen wir
das morgen? Bei der nächsten Session und Du kannst Dich jetzt schon mal ein
bisschen... ja, keine Ahnung... sammeln. Sammel Dich mal! Entspann Dich, oder
weiß der Geier, mach irgendwas. Bereit Dich darauf vor, dass Du jetzt eine
Aufgabe vor Dir hast, die Du erfüllen wirst und erfüllen willst, ja
erfüllen wirst und wir warten auf Dich, o.k.? Können wir das so vereinbaren?
Ich freu mich schon drauf. Aber wir wollen jetzt noch ein bisschen alleine sein.
*lacht* Ja, ist o.k. *gähnt*, oh bin ich müde.
Th: Das war auch viel heute. Du kannst ja ausruhen, das ist wichtig jetzt.
Kl: Oh ja.